Umweltbelastung durch Lebensmittel: Ökobilanzen machen reinen Tisch

Fast ein Drittel der durch unseren Konsum verursachten Umweltbelastung geht auf das Konto der Nahrungsmittel. Der Verzehr von Fleisch und weiteren tierischen Produkten schlägt dabei mit Abstand am stärksten zu Buche. Dies zeigt eine umfassende Analyse von Lebensmitteln und Menüs mithilfe von Ökobilanzen.

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, besagt das Sprichwort – und die Lebenserfahrung lehrt uns, dass ein leckeres Gericht, ausgekostet in guter Gesellschaft, an Genuss schwer zu überbieten ist. Wie jedes Konsumprodukt belasten aber auch Esswaren und Getränke bei ihrer Herstellung die Umwelt teilweise beträchtlich. Dies ist den Nahrungsmitteln allerdings ohne vertiefte Kenntnisse der Produktionsbedingungen in der Regel kaum anzumerken. Im Auftrag des BAFU (Bundesamt für Umwelt) hat ein Autorenteam unter Leitung von Niels Jungbluth von der auf Ökobilanzen spezialisierten Firma ESU-services in Uster (ZH) diese Umweltauswirkungen unter die Lupe genommen.

Beträchtliche Umweltbelastung

Wie die Berechnungen der Studie zeigen, braucht es den energe­tischen Gegenwert von 80 Liter Benzin, um die Lebensmittel herzustellen, die eine Person jeden Monat im Durchschnitt konsumiert. Berücksichtigt ist dabei lediglich die Energie, die für den Anbau, alle Verarbeitungsschritte und die Transporte der Nahrungsmittel erforderlich ist.

Auf ihrem langen Lebensweg vom Acker bis zum Teller benötigen die Esswaren jedoch auch beim Einkauf, für die Kühlung, bei der Zubereitung sowie für die Entsorgung ihrer Verpackungen und Reste durch die Haushalte zusätzliche Energie. Diese wird unter anderem mit fossilen Brenn- und Treibstoffen erzeugt, welche die Atmosphäre ebenfalls mit Luftschadstoffen und Treibhausgasen belasten.

Neben dem Verbrauch an Energie – in Form von Erdöl, Erdgas und Elektrizität – erfordert zum Beispiel die Gewinnung von pflanzlicher Nahrung weitere Ressourcen wie Boden, Wasser oder Torf. Dazu kommen Produktionsmittel wie landwirtschaftliche Maschinen, Dünger, Pestizide und Gebäude sowie Anlagen zum Ernten, Sortieren, Waschen, Lagern und Verpacken. «Bei all diesen Arbeitsschritten werden Emissionen freigesetzt, welche Boden, Luft und Wasser belasten oder zur Klimaerwärmung beitragen – sei es ­direkt oder indirekt», erklärt Peter Gerber von der Sektion Konsum und Produkte beim BAFU. «Dies gilt insbesondere auch für die Herstellung von tierischen Produkten wie Fleisch und Käse. So stammen etwa der Luftschadstoff Ammoniak und die Treibhausgase Methan und Lachgas im Inland größtenteils aus der Landwirtschaft.»

Unter Berücksichtigung aller relevanten Umweltbeeinträchtigungen trägt die Bereitstellung unserer Nahrungsmittel insgesamt etwa 30 Prozent zur Umweltbelastung durch den Konsum bei. Erfasst und mit der gängigen Methode der ökologischen Knappheit bewertet sind dabei auch die im Ausland durch die Produktion unserer Importprodukte verursachten Umweltschäden.

Ökobilanzen erleichtern Vergleiche

Inzwischen liegen laut Niels Jungbluth aus zahlreichen Fallstudien bereits für Hunderte von Nahrungsmitteln detaillierte Ökobilanzdaten für deren ganzen Lebenszyklus vor. Taxiert man den Ressourcenverbrauch und unterschiedliche Emissionen mit Umweltbelastungspunkten (UBP), deren Gewichtung sich nach dem Ausmaß der jeweiligen Umweltprobleme richtet, resultiert am Schluss für jedes Lebensmittel eine Gesamtpunktzahl. Damit lassen sich zum Beispiel verschiedene Nahrungsmittel, Zubereitungsarten und komplette Menüs miteinander vergleichen.

«Ökobilanzen ermöglichen es der Landwirtschaft, den verarbeitenden Betrieben und den Großverteilern ihre Anbaumethoden, Produktionsabläufe und die Sortimentsgestaltung zu durchleuchten», stellt Peter Gerber fest. «Damit können sie ihr Angebot auf der Basis wissenschaftlicher Kriterien ökologisch optimieren.» Informierten Konsumentinnen und Kunden dienen die Daten gleichzeitig als Entscheidungshilfe für eine umweltbewusstere Ernährung, denn mit ihrem Kaufverhalten bestimmen sie letztlich, was produziert und in den Verkaufsregalen angeboten wird.

Speziell umweltbelastend sind Warentransporte mit Flugzeugen, die für eine bestimmte Lademenge pro Kilometer 10-mal so viel Treib­hausgase freisetzen wie ein Lastwagen und rund 100-mal mehr als ein Frachtschiff. Obwohl beispielsweise der Luftfrachtanteil beim Frucht- und Gemüsesortiment des Großverteilers Migros weniger als 0,5 Prozent ausmacht, verursacht er gemäß einer groben Schätzung von Niels Jungbluth rund ein Drittel aller transportbedingten Treibhausgasemissionen des Warenangebots an Obst und Gemüse. Aufgrund dieser Umweltrelevanz kennzeichnet der Konkurrent Coop eingeflogene Lebensmittel mit dem Aufkleber «By Air» und verzichtet etwa bei Grünspargeln aus Übersee seit Januar 2009 auf Aktionspreise. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch das «Bio Suisse»-Label, da Flugtransporte und beheizte Treibhäuser unter diesem Kennzeichen unzulässig sind.

Die Qual der Wahl

Während für Lebensmittel aus fairem Handel und biologischer Produktion anerkannte Labels bestehen, sind die in den Läden verfügbaren Angaben zur Umweltverträglichkeit von Esswaren meistens ziemlich dürftig. Erschwerend kommt dazu, dass Laien in diesem Bereich fast täglich eine Vielzahl von umweltrelevanten Einzelentscheidungen treffen müssen. Auch wenn sich gewisse Faustregeln für eine ökologisch optimierte Ernährung ableiten lassen, fallen umweltbewusste Weichenstellungen und Einmalentscheide bei anderen Grundbedürfnissen – wie Wohnen oder Mobilität – viel stärker ins Gewicht. Es ist in erster Linie die Art und Weise, wie die Pflanzen angebaut werden, die für die Umweltbelastung entscheidend ist. Demgegenüber ist die Menge von untergeordneter Bedeutung, zumal der Spielraum der einzelnen Konsumentinnen und Konsumenten beschränkt ist, wenn es um eine Reduktion ihrer Nachfrage nach Nahrungsmitteln geht.

Menüvarianten im ökologischen Vergleich

Im Auftrag des BAFU hat die unter anderem auf Ökobilanzen spezialisierte Basler Umweltberatungsfirma Carbotech verschiedene Varianten eines Alltagsmenüs mit Fleisch, Kartoffeln und Gemüse durchgespielt. «Dabei zeigt sich der große Einfluss der Fleischwahl», erläutert Peter Gerber. «Die Eiweißbeilage beeinflusst die Umweltbelastung einer Mahlzeit weit mehr als jede andere Entscheidung.» Während das Basismenü aus Rindsragout, Kartoffelpüree und Buschbohnen pro Teller über 6000 UBP verbucht, sinkt diese Belastung auf weniger als ein Viertel, wenn das Rindfleisch durch ein Pilzragout ersetzt wird. Wer auf Geflügel ausweicht, bringt es pro Mahlzeit noch auf knapp 3000 UBP, weil Hühner das Futter viel besser verwerten als Rinder.

Die unterschiedliche Zubereitung der Kartoffeln hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Umweltbilanz der untersuchten Mahlzeit. Bratkartoffeln verursachen zwar leicht geringere Belastungen als Pommes frites und Kartoffelpüree, deren UBP-Rechnung sich insbesondere durch den erhöhten Speiseölbedarf beziehungsweise den Milchverbrauch verschlechtert. Bei Fleischmahlzeiten macht der Anteil der Kartoffelbeilage jedoch nur etwa 10 Prozent der Gesamtbilanz aus, sodass Abweichungen von maximal 200 UBP in dieser Kategorie das Endresultat nicht markant verändern können. Auch der Wechsel zu anderen Kohlenhydratquellen wie Reis oder Nudeln wirkt sich nur unmerklich auf das UBP-Total aus. Wer Optimierungen im einstelligen Prozentbereich anstrebt, ist mit Reis besser bedient als mit Nudeln, weil vor allem die Nitratauswaschung ins Grundwasser beim Weizenanbau die Umweltrechnung der Teigwaren belastet.

Große Unterschiede bei den Bohnen

Die größten Abweichungen innerhalb der jeweiligen Kategorien gibt es bei der Gemüsebeilage. So verursachen frische Buschbohnen aus dem Inland während ihrer Haupterntezeit im Sommer eine rund 10-mal geringere Umweltbelastung als eingeflogene Bohnen aus Ägypten. Fast so schlecht wie die Luftfracht aus Nordafrika schneidet das einheimische Gemüse aus beheizten Gewächshäusern ab, da die Einsparung an Kerosin hier durch die benötigte Heizenergie aufgehoben wird. Nicht besser steht es um frische Bohnen aus Südspanien. Aufgrund der klimatischen Vorzüge benötigt ihr Anbau zwar keine fossilen Brennstoffe, doch fallen hier die Wasserknappheit und die damit verbundene Übernutzung der lokalen Wasserressourcen stark negativ ins Gewicht. Im Vergleich dazu spielt der Lastwagentransport von Spanien in die Schweiz nur eine untergeordnete Rolle.

Wer außerhalb der Saisonzeit nicht auf diese Gemüsebeilage verzichten will, bevorzugt aus ökologischer Sicht am besten Dörrbohnen aus der Schweiz oder aus China oder Dosenware. Ihre Ökobilanzen fallen ähnlich aus und schneiden jeweils rund 5-mal besser ab als die Importe per Luftfracht. Etwa 1,5-mal höher ist die Umweltbelastung von Bohnen aus dem Gefrierbeutel. Dies erklärt sich primär mit dem zur Kühlung eingesetzten Strom aus nicht erneuerbaren Quellen.

Umweltbelastung

Auch der Nährstoffgehalt zählt

Bei der Wahl eines Menüs ist natürlich auch die Nährstoffzusammensetzung der Speisen von großer Bedeutung. Berücksichtigt man ihren unterschiedlichen Gehalt an Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen und Spurenelementen, so verschieben sich die Relationen der Ökobilanzen zugunsten der Fleischgerichte, ohne jedoch die klaren ökologischen Vorteile von vegetarischen Mahlzeiten wettzumachen. Dabei zeigt sich auch, dass in der Gesamtbilanz der Anteil des Gemüses stärker ins Gewicht fällt.

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